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Der Medienpädagoge Stefan Schaller fordert: Kinder aktiv in die digitale Welt begleiten – Vortrag in der Stadt- und Schulbücherei

GUNZENHAUSEN – Mit dem Übertritt in die fünfte Klasse fallen in Sachen Medienerziehung in so mancher Familie die letzten Bastionen: Das erste Smartphone für die Elfjährige oder den Elfjährigen wird gekauft. Oft gibt es sehr viele Freiräume im Hinblick auf die Zeitdauer, in denen sich die Kinder online bewegen und auch im Hinblick auf die Apps und Spiele die auf die Geräte geladen werden. Beim Vortrag in der Reihe „Medienwelten“, ein gemeinsames Angebot von Stadt- und Schulbücherei und gunnet e.V., beleuchtete der Medienpädagoge Stefan Schaller diese Entwicklung und machte Vorschläge zur Medienerziehung. Was für den erfahrenen Pädagogen am wichtigsten ist: Es muss neben der Zeit, die Kinder mit Medien verbringen, noch Freiräume für Sport und Spiel im Freundeskreis geben. Weiter sollten Eltern ihre Kinder vor Gefahren in Chatrooms, Spielen, Social Media und Webseiten schützen.

„Wie geht es den Kindern?“ Diese Frage stellte sich besonders während der Pandemiezeit und Stefan Schaller konnte hier immer kompetente und mitunter sehr ernüchternde Antworten geben, berichtete Babett Guthmann vom Büchereiteam und stellte den Referenten des Abends vor: Medienpädagoge, Lehrer an der Mittelschule, Schulberater für digitale Bildung. Als Vater eines 14-Jährigen kennt er auch die Sicht von Jugendlichen auf digitale Verlockungen.

Zum Auftakt seines Vortrags hatte der Referent eine gute Nachricht: Während der Lockdowns und der Schulschließungen sei die Medienzeit von Kindern und Jugendlichen zwar um fast 25 Prozent auf 258 Minuten täglich gestiegen. Aber aktuell sind die Werte wieder auf das Niveau von 2019 zurückgegangen.

Dennoch: Stefan Schaller kennt als Pädagoge nicht wenige Betroffene, die wegen ihres exzessiven Medienkonsums Konzentrations- und schulische Probleme haben. Er findet dafür sehr klare Worte: „Das Gehirn ist extrem leistungsfähig und es kann nicht nicht lernen.“ Was das bedeutet: Kinder lernen permanent, auch wenn sie das Smartphone in den Händen halten. Deshalb sollten Erziehende sich darum kümmern, mit welchen Inhalten sich Kinder befassen.

Wichtig findet der Medienpädagoge, sich an die Altersbeschränkungen für die App-Nutzung zu halten: Instagram und Snapchat ab 13 Jahren, WhatsApp ab 16 Jahren. Schaller erläutert, dass zugespielte Werbung und Informationen sich am Nutzungsverhalten und den Informationen orientieren, die man beim Einrichten des Accounts preisgegeben hat. Wer hier ein höheres Alter angibt, wird demzufolge früher als „erwachsen“ behandelt und mit anderen Inhalten konfrontiert.

Stefan Schaller berichtet von Umfragen in seinen Schulklassen, bei denen die meisten ein etwas höheres Alter beim Anlegen des Accounts angegeben haben, manche Kinder sich aber auch als 40-Jährige im Netz bewegen. In den Chats – auch bei Spielen – kann das zu Missverständnissen und Belästigungen führen.

Fatal, wenn also Elfjährige ein Smartphone ohne Kinderschutzfilter nutzen. Stefan Schallers Rat: Unbedingt die Standortfreigabe ablehnen und die Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre nutzen.

Alle – Kinder wie Erwachsene - sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihr Nutzungsverhalten im Netz permanent für Werbekundschaft analysiert und die Werbung quasi in Echtzeit abgestimmt wird. Dies demonstrierte er mit der Browsererweiterung "Thunderbeam-Lightbeam" bei Chrome. So lässt sich nachvollziehen, welche besuchten Seiten untereinander interagieren und wie das eigene Surfverhalten verfolgt wird.

Eltern sollten nach dem Rat des Pädagogen immer wieder thematisieren, wie denn die Kommunikation unter den Kindern selbst läuft. Mobbing und Ausgrenzung in Chatgruppen sind eine Realität, in der Kinder – als Opfer, als ohnmächtige Zuschauende oder als Täterinnen und Täter auftreten können. „Begleiten Sie Ihr Kind bei den ersten Kommunikationsversuchen im Netz“, rät Stefan Schaller.

Medienpädagogisch eingreifen müssen die Erziehungsberechtigten mitunter auch bei Instagram-Accounts. Oft wird zu viel der eigenen Privatsphäre preisgegeben oder gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen: Beispielsweise wenn Schülerinnen oder Schülerinnen meinen, sie müssten einen Livestream aus dem Unterricht veröffentlichen.

Viele Eltern stellen sich auch die Frage: Welche Spiele sind geeignet für mein Kind? Hier bietet die Altersfreigabe nur eine sehr grobe Orientierung. Deshalb der Rat des Medienberaters: „Spielen Sie einfach mal mit!“ In diese Richtung läuft insgesamt die Beratung: Kinder im Netz begleiten, kennenlernen, was Kinder im Netz machen und vielleicht sogar gemeinsam Instagram-Posts machen und dabei das Gespräch suchen.

Großen Diskussionsbedarf gab es bei den sehr interessierten Müttern und Vätern im Publikum, die an Stefan Schaller viele Fragen hatten.  Ein Vortrag nah an den Informationsbedürfnissen der Eltern, befand auch Monika Wopperer von gunnet e.V.:  Sie dankte als Mitveranstalterin dem Referenten: „Sie haben mit ihrem Vortrag alle mitgenommen!“

Babett Guthmann

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