Presseschauzum Pressearchiv

Erfolgreicher Neustart des Literaturcafés mit 16 Testleserinnen und Testlesern

GUNZENHAUSEN – Die traurigen Zeiten mit dem Ausfall von Buchmesse und dem Literaturcafé der Stadt- und Schulbücherei sind vorbei. Die Buchmesse in Frankfurt ging mit einem Drittel des üblichen Publikums über die Bühne und in der Bücherei meldeten sich so viele freiwillige Hobby-Buchrezensenten wie selten zuvor. Und das Wichtigste: Auch das Stammpublikum sowie viele neue Gesichter kamen, um sich ihre Meinung zu den Lesetipps zu bilden.

Zum Auftakt stellte Ulrike Fischer mit „Unberechenbar“ einen der wichtigsten Romane von Tsitsi Dangarembga vor. Sie erzählte auch vom Werdegang der Schriftstellerin und Filmemacherin aus Simbabwe, die ganz aktuell mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde. Für Fans Historischer Romane hatte Gisela Szonn einen Tipp: „Rembrandts Geliebte“ von Simone van der Vlugt. Nach der Lektüre des gut recherchierten Romans wird man den niederländischen Maler mit ganz anderen Augen sehen.

Nürnberg war diesmal mit einer jungen Autorin und einem Lokalmatador, nämlich mit dem Dichter und Theaterautor Fitzgerald Kusz vertreten. Im neuen Gedichtband „Sunnablumma“ verarbeitet Kusz, der sich selbst als ‚Horch- und Lauschfußgänger‘ bezeichnet, seine Erfahrungen mit dem Corona-Lockdown, aber auch poetische Begegnungen mit Mensch und Natur. Jürgen Huber vom Büchereiteam bewies beim Vorstellen der Kusz-Gedichte sein Talent als Mundart-Rezitator. Die 1990 in Nürnberg geboren Nadine Schneider hat mit ihrem Debütroman „Wohin ich immer gehe“ positive Resonanz geerntet. Dagmar Bender hat sich für diese Geschichte über eine Flucht aus Rumänien, über Familienbande und die Suche nach Heimat begeistert.

Kerstin Zels hat bei Daniela Kriens aktuellen Eheroman „Der Brand“ einen besonderen Genuss entdeckt: Einen Roman zum zweiten Mal lesen, sich besonders gelungenen Formulierungen aufschreiben und dazu die eigenen Gedanken schweifen lassen. Weit gespannte Erzählbögen und eine besondere Dynamik sprechen nach dem Urteil von Hartmut Röhl für Rafik Schamis Erzählband „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“.

In der Krimi- und Thriller-Sparte gab es drei Empfehlungen. In „Kreuzberg-Blues“ schickt Wolfgang Schorlau seinen Ermittler Georg Dengler nach Berlin, wo er im Miet-Mafia-Milieu ermittelt. Da werden schon mal besonders aggressive Ratten freigelassen, um der Kündigung einer Wohnung Nachdruck zu verleihen, erläuterte Birgit Franz. Einen nervenzerfetzenden Thriller mit Empfehlung nur für robuste Gemüter stellte Christine Höller vor: Bei Jan Becks zweitem Thriller „Die Nacht“ werden fünf Menschen jeweils in einem engen Glasbehälter gefangen gehalten, über ihnen schwebt schon ein grausiges Mordinstrument. Cornelia Röhl stellt bei Castle Freemans als „Spannungsroman“ beworbenem Buch „Herren der Lage“ in Frage, ob dieser Roman mit unerhört gemächlichem Tempo überhaupt in die Kategorie ‚Krimi‘ passt.

Die Autorin Jasmin Schreiber ist ehrenamtlich als Sterbe- und Trauerbegleiterin aktiv. In ihrem Roman „Mauersegler“ beschreibt sie die Last der Verantwortung, die der junge Arzt Prometheus auf sich nimmt, als er verspricht, die Krebstherapie seines besten Freundes zu betreuen. Für Marianne Natalis ein beachtenswerter Titel des Bücherherbstes, zumal die Autorin Ende November zu einer Lesung ins Gemeindezentrum nach Pleinfeld kommen wird.

Wie ist das, wenn man Opfer eines Social-Media-Stalkers wird? Mit dieser Frage befasst sich der Roman „Die Nachricht“ von Doris Knecht. Melena Renner beschrieb in ihrer Buchvorstellung eindrucksvoll die Beklemmung, die durch anonyme Botschaften ausgelöst wird, besonders dann, wenn der Stalker sehr persönliche Erlebnisse aus zu kennen scheint. In „Dunkelblum“ von Eva Menasse tobt die ‚Schicksalsbestie‘, denn ein ungesühntes Verbrechen, begangen in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs, drängt ans Licht. Für Babett Guthmann ein zeitgeschichtliches Motiv, das es nicht nur in Dunkelblum gibt: Was treibt Opfer und Täter um, die seit Jahrzehnten durch beharrliches Schweigen verbunden sind?  

Zena Wiehn hat sich mit Donatella Di Pietrantonio für die Geschichte zweier Schwestern entschieden, die ungleicher nicht sein könnten. In „Borgo Sud“ geht es um Familienzusammenhalt – auch wenn etwas schiefgeht, ist dies noch lange kein Grund, einander los- oder fallenzulassen. Ebenfalls ein Familienroman „Die Überlebenden“ von Alex Schulman, der Marion Hinderer fast ein wenig knapp gehalten erscheint. Beim Verstreuen der Asche ihrer Mutter gibt es ein Wiedersehen dreier Brüder, die sich an ihre kindlichen Kämpfe um die Liebe der Eltern erinnern.

Ein Ekel-Alfred-Typ entdeckt seine menschliche Seite: In Alina Bronskys Roman „Barbara stirbt nicht“ bröckelt Herrn Schmidts ruppige Fassade. Michael Kahrs hat in seinem Lieblingsbuch des Bücherherbstes einen Protagonisten mit allerhand Pascha-Qualitäten kennengelernt, der sich schließlich als liebevolle Pflegekraft, einfallsreicher Hausmann und fürsorglicher Partner seiner Barbara entpuppt.

Zum Abschluss des Literaturcafés ließ Monika Wopperer die Musik sprechen: Sie stellte die Lebensgeschichte des 85-jährigen Klezmer-Klarinettisten Giora Feimann vor. Weniger eine Biografie als eine Beschreibung seiner Lebensführung. Der „König des Klezmer“ sucht Antworten auf Fragen wie „Warum braucht das Leben Neugierde?“ oder „Wieso laufen wir an unserem Glück vorbei, statt es zu ergreifen?“

Zurück