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Erste Schritte in virtuelle Welten

Der gunnet e.V. und die Stadt- und Schulbücherei ermöglichten den Praxistest mit den Referenten vom JFF-Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis

GUNZENHAUSEN – Der Lift fährt ins oberste Hochhaustockwerk, Sie steigen aus, genießen kurz den Ausblick und balancieren dann auf einer Planke hoch über der Straßenschlucht. Wer traut sich? Beim Vortrag der Reihe Medienwelten stellte sich diese Frage, denn die Münchner Medienpädagogen Linus Einsiedler und Marvin Fendt hatten Oculus-Quest-VR-Brillen und einige Test-Games – wie eben die „Plank experience“ mitgebracht. Sie informierten auf Einladung des gunnet e.V. und der Stadt- und Schulbücherei über den aktuellen Stand der Technik und über Einsatz der VR-Brillen in Bereichen wie der Pilotenausbildung, beim Militär, in der Psychotherapie oder im Bildungsbereich.

Im Fokus stand der Praxistest für die Besucherinnen und Besucher. Jedoch sollte auch die gute Praxis für die Arbeit mit Jugendlichen vorgestellt werden – so der Wunsch der gunnet-Vorsitzenden Monika Wopperer.

Aus Sicht der beiden Referenten vom Münchner JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis in München steht die VR-Technik sozusagen in den Startlöchern und es wird in Zukunft viele, auch wirtschaftlich interessante Anwendungen geben. So kann – wie beim Flugtraining – die Steuerung komplexer Geräte virtuell geübt werden. In der Psychotherapie können Angstpatienten sich in der virtuellen Welt den für sie bedrohlichen Situationen stellen. – Beispielsweise in eine enge Aufzugskabine  einsteigen oder üben, sich in großer Höhe zu bewegen.

Noch in den Kinderschuhen stecken Anwendungen wie der virtuelle Rundgang durch das Anne-Frank-Haus. Auch diesen konnten Freiwillige aus dem Publikum in der Bücherei testen. Man kann selbst seinen Weg durch die Ausstellung wählen, näher an bestimmte Exponate herantreten. Für Schülerinnen und Schüler sicher eine zusätzliche Motivation, sich mit einem eher schwierigen Thema auseinanderzusetzen. Schon im Einsatz ist auch ein 3-D-Film, der zu einer Reise durch den Körper einlädt. Hier flitzt man wie ein Blutkörperchen durch die Adern und ins Herz, erlebt einzelne Organe und ihre Funktionen, als ob man dort Zuschauersitze einnehmen könnte.

Die 3-D-annimierten Filme sind jedoch nur ein erster Schritt in virtuelle Welten. Linus Einsiedler wies darauf hin, dass die Möglichkeiten der VR-Technik längst nicht ausgeschöpft sind. Statt der heute üblichen Controller können Kameras in den VR-Brillen die Hände filmen und so kann man fast in Echtzeit mit den eigenen Händen in der virtuellen Wirklichkeit agieren, Türen öffnen oder auch bei Medizin-Programmen chirurgische Eingriffe üben.

Einen Blick in die gar nicht so kurze Geschichte der VR-Anwendungen lieferte Marvin Fendt. 1957 wurde das Sensorama entwickelt, ein Automat, der das Sehen, Hören, Fühlen und Riechen einer virtuellen Realität möglich machen sollte. „Geruchskino“ nannte man diese Erfindung, die allerdings schnell wieder in Vergessenheit geriet. Bis in die 1990er gab es virtuelle Programme als Training von Kampfpiloten oder Panzerschützen, erst in den 1990ern entdeckte die Unterhaltungsindustrie die virtuelle Realität als Geschäftsfeld. „Das wird bald das große Ding hieß es damals schon“, erläuterte der Medienpädagoge Fendt schmunzelnd, denn auch heute noch trifft man auf eben dieses Statement.

Spaß und mitunter auch Angst machen die heutigen Anwendungen, die die Unterhaltungsindustrie für VR-Brillen anbietet: Das sportliche Spiel „Beat Saber“, bei dem Würfel mit virtuellen Laserschwertern weggekickt werden sollen, gibt es bereits in einigen Fitness-Studios. Die richtigen Moves trainieren kann man bei „Dance Central“. Hier kann man in die Club-Atmosphäre eintauchen und zu 32 Soundtracks tanzen, ohne dass einem jemand auf die Füße tritt. Erschreckend real ist ein Ego-Shooter-Game, bei dem auf virtuelle „Feinde“ geschossen wird.

In der Medienpädagogik ist es neben der Begleitung in eine altersgemäße Mediensozialisation wichtig, Medienkompetenz zu vermitteln, so erläuterte Linus Einsiedler. Ein Einstieg in das Verständnis der virtuellen Welt kann die „Cardboard“ sein. Mit zwei Glaslinsen und einem selbst gebastelten Karton können Kinder oder Jugendliche mit ihrem Smartphone und der Google- Cardboard-App eine einfache 3-D-Anwendung starten und dazu eigene Bildräume erstellen, in denen man sich dann umsehen kann.

Babett Guthmann

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